Zum Inhalt springen

Vivisektoren ohne Regeln und ohne Gesetze

Die im September 2022 veröffentlichte Statistik über die Anzahl der in der Schweiz gebrauchten Tiere zeigte im Jahr 2021 eine Zunahme von 3% (d.h. 575.000 Tieropfer) und fast 90 Versuche mehr als im Vorjahr. Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Artikels (Juli 2023) waren die Daten für das letzte Jahr noch nicht bekannt. Doch die kommende Statistikveröffentlichung, könnte berechtigterweise Zweifel aufkommen lassen, da sie die Tiere nicht berücksichtigen die Schweizer Vivisektoren in anderen Ländern gebrauchen. Einige dieser Fälle sind so grausam, dass sie sogar vom permissiven Schweizer Gesetz verboten sind.

Am 30. Mai 2023 wurden wir von der Vereinigung Action For Primates (www.actionforprimates.org) aufgrund eines erschreckenden Experiments kontaktiert, das von mehreren Forschern, darunter auch einigen Schweizern, durchgeführt wurde.

Da ein solches Experiment durch die europäischen Gesetzgebung absolut verboten wäre, wurden wir gefragt, ob das Gesetz in der Schweiz, das permissiver als das europäische Recht, dies zulässt. Es handelte sich hierbei um folgendes Experiment: Eines der schrecklichsten Experimente wurde mit dem Fang in freier Wildbahn von Grünmeerkatzen (Primatengattung) in St. Kitts in der Karibik gemacht. Das Experiment wurde 2021 veröffentlicht, und ist möglicherweise noch im Gange. Das versuchen wir gerade herauszufinden. Man hat extrem invasive und zerstörerische Rückenmarksoperationen durchgeführt, wobei die Affen Lähmungen und Teillähmungen der Beinchen erlitten haben. Da ihr Rückenmark so geschädigt war, waren sie gezwungen, auf einem Laufband zu gehen, um ihre motorischen Fähigkeiten zu beurteilen. Dieses unmenschliche Experiment, an dem sicherlich mindestens 88 Affen (vielleicht aber auch mehr) beteiligt waren, fand im St. Kitts Biomedical Research Foundation statt, wurde und wurde von AbbVie (einem multinationalen Pharmaunternehmen mit Niederlassungen in mehr als 70 Ländern, einschliesslich der Schweiz) finanziert und involvierte Forscher aus den Vereinigten Staaten, Kanada, Deutschland und der Schweiz.

Zum Tierleid, kommt wie immer Heuchelei hinzu. Die Schweiz rühmt sich immer wieder, ein sehr fortschrittliches Tierversuchsgesetz zu haben, aber das stimmt nicht, denn in Wirklichkeit ist sie das einzige europäische Land, das nicht einmal ein spezifisches Gesetz diesbezüglich hat. Tierversuche werden in der Schweiz, und nur in der Schweiz, ausschliesslich durch bestimmte Artikel des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere (Tierschutzverordnung TSchV vom 23. April 2008) geregelt, so dass dieses Thema in der Tat nur von einem sehr eingeschränkten Standpunkt aus berücksichtigt wird, wobei wissenschaftliche Innovationen gar nicht erläutert werden.

Trotzdem und trotz einer völlig fehlerhaften Gesetzgebung, gibt es einen Artikel, in dem folgendes erläutert wird: “Primaten dürfen nur dann für Tierversuche verwendet werden, wenn sie aus einem Zuchtbetrieb stammen” (Art. 118, TSchV 2008). Tatsache ist, dass für diejenigen, die eine antispeziesistische Vision haben, es irrelevant ist, ob Primaten nun in freier Wildbahn gefangen werden, oder aus einem Zuchtbetrieb stammen; sie für Experimente zu gebrauchen, ist absolut inakzeptabel, aus ethischer wie auch aus wissenschaftlicher Sicht.

Die Tatsache, dass selbst für Befürworter von Tierversuchen, das Einfangen von Primaten in freier Wildbahn für Tierversuchszwecke zu grausam ist, zeugt nach Heuchelei, wenn man bedenkt, dass Schweizer Forscher an Experimenten teilnehmen, die gemäss der Schweizer Gesetzgebung mit Bussgeldern von bis zu CHF 20.000 oder sogar drei Jahren Haft bestraft werden (Art. 26 und 28 der Schweizer Tierschutzverordnung. TSchV vom 16. Dezember 2005), ohne dabei jegliche Strafe zu erhalten.

Zur Bestätigung, für das was wir hier schreiben, haben wir uns am 7. Juni mit der Eidgenössischen Tierversuchskommission (EZEA) des Eidgenössischen Departements des Innern in Verbindung gesetzt. Da an dem Experiment Vivisektoren aus verschiedenen Kantonen beteiligt waren, machte es keinen Sinn, sich an die einzelnen kantonalen Kommissionen zu wenden, die offensichtlich nicht in der Lage waren, eine äusserst komplexe Situation zu analysieren. Somit haben wir uns entschlossen uns direkt an die Eidgenössische Kommission für Tierversuche zu wenden. Uns wurde mitgeteilt, dass unser Anliegen, beim nächsten Meeting im Herbst erörtert werden soll. Wir warten demnach auf die Rückmeldung. Doch auf jeden Fall muss berücksichtigt werden, dass die nationalen Statistikdaten NICHT vollständig sind, denn wenn es um Experimente geht, die hier verboten sind, gehen skrupellose Forscher einfach in aussereuropäische Gebiete. Wir werden diese traurige Angelegenheit weiterverfolgen, und hoffen Ihnen einen Denkanstoss in dieser Sache übermittelt zu haben.

MASSIMO TETTAMANTI WISSENSCHAFTLICHER BERATER ATRA
Quelle: orizzonti September 2023, atra.info

Für alle technischen Einzelheiten, hier der veröffentlichte Artikel:
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0969996121001340?via%3Dihub