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Künstliches Fleisch: Wird das den Tieren helfen?

Das Thema über Alternativprodukte zu tierischen Lebensmitteln wird immer aktueller, sicher auch aufgrund des grösseren Angebots, das die Neugier vor allem der neuen Generationen weckt. Es ist leicht vorstellbar, dass in den kommenden Jahren die Angebotsvielfalt ausgeweitet wird, und Nahrungsmittelalternative angeboten werden, um entweder Kritik oder Interesse zu wecken. Eines dieser Alternative ist “künstliches Fleisch”. In diesem Artikel zeigen wir hierzu, die Konsequenzen für Tiere, für die Umwelt und für unsere Gesundheit.

Seit einigen Jahren sprechen wir über künstlich hergestelltes Fleisch: Es geht nicht um “Fleisch pflanzlichen Ursprungs”, d.h. die innovative Produktlinie, die sich auf pflanzliche Lebensmittel beziehen, die Fleisch in Geschmack und Textur ähneln. Nein, künstlich hergestelltes Fleisch ist wirklich Fleisch: Es wird mit tierischen Zellen hergestellt, die auf einem Substrat von Nährstoffen gezüchtet werden. Das Ergebnis ist echtes Tierfleisch, das jedoch in Industriebetrieben hergestellt wird, nicht in landwirtschaftlichen Betrieben und Schlachthöfen.

Mehrere Startups imitieren Rindfleisch, Huhn, Schweinefleisch, Thunfisch, Garnelen, Lachs, Ente und sogar Foie Gras. Nichts für Veganer, sondern für Allesesser, die zwar nicht auf Fleisch verzichten möchten, aber teilweise (oder hoffentlich ganz) ihren Fleischkonsum, mit einem Produkt ersetzen möchten, dass eigentlich identisch sein müsste. Sollte alles gut verlaufen, dann könnte demnach in den kommenden Jahrzehnten die Nachfrage nach “Fleisch pflanzlichen Ursprungs” und “künstlich hergestelltem Fleisch” die von Fleisch aus Schlachtbetrieben stammt, übersteigen.

Gemäss einigen Prognosen, könnte dies innerhalb 2040 geschehen. Beide Produkte – ob pflanzlichen Ursprungs, oder künstlich hergestellt, werden sich auf dem Markt ergänzen, und stehen nicht im Wettbewerb. Das“Fleisch pflanzlichen Ursprungs”ist bereits seit Jahren auf dem Markt, und hat nichts mit Fleisch zu tun, sondern besteht aus pflanzlichen Erzeugnissen.

Künstlich hergestelltes Fleisch hingegen wird ausschliesslich auf demonstrativer Ebene im Labor hergestellt, deshalb kommen viele Zweifel und Kuriositäten auf. Die wichtigste für uns ist natürlich: Wird es den Tieren wirklich helfen? L’Eurogroup for Animals hat ein ausführliches Dossier im Februar d. J. veröffentlicht. Genau aus dieser Veröffentlichung haben wir einige Daten zusammengefasst, die die 6 Fragen beantworten, und die unserer Meinung grundlegend sind.

Wie ist der aktuelle Stand dieser Technik, und wann wird künstlich hergestelltes Fleisch auf den Markt kommen?

Künstlich hergestelltes Fleisch gibt es, das ist sicher: Es geht nicht mehr darum, zu beweisen, dass es realisierbar ist. Es wurde entwickelt und man hat es auch schon verkostet. Im Moment existiert das Fleisch nur auf experimenteller Ebene, mit minimaler Produktion, und das bei hohen Kosten. Die Diffusion wird nach und nach stattfinden: zuerst in ausgewählten Restaurants, und die grosse Vermarktung vielleicht im Jahr 2030. Diese vorhergesagten Zeitangaben werden immer noch schlecht durch Fakten gestützt. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es tatsächlich zu einer Massenproduktion kommen wird, weil mehrere Unternehmen daran arbeiten und in dieses Projekt investieren. Die Zeitangaben sind noch ungewiss, da es zwei grundlegende Hindernisse gibt:
■ Planung von Anlagen zur Erzielung höherer Produktionen zu Kosten, die mit denen des tatsäch- lichen Fleisches vergleichbar (oder niedriger) sind;
■ Einholung von Gesundheitsgenehmigungen zwecks Vermarktung.

Werden für künstlich hergestelltes Fleisch immer noch Tiere verwendet?

2.1 Die Zellen
Im Moment werden Tiere nur verwendet, um Zellen zu entnehmen, entweder durch eine Biopsie an einem lebenden Tier oder aus einem kleinen Stück Fleisch eines frisch geschlachteten Tieres (sicher werden Farmen und Schlachthöfe nicht plötzlich verschwinden: Im besten Fall werden sie allmählich weniger, aber immer Schritt für Schritt) Theoretisch ist es auch möglich, Zelllinien ewig aufzubewahren, doch derzeitig ist es sehr schwierig, sie in einem stabilem Zustand zu halten. Sollte dieses Ziel erreicht werden, braucht man Tiere nicht mehr, nicht einmal um Proben zu entnehmen.

2.2 Das Zuchtsubstrat
Was das Zuchtsubstrat betrifft, verwendet man fetales Kälberserum, das normalerweise für Zellkulturen benutzt wird, da es reich an Nährstoffen ist, und viele Wachstumsfaktoren in sich trägt, und in dieser Weise die Zellproliferation erhöht. Im Fall von künstlich hergestelltem Fleisch, ist es aber nicht verwendbar, weil es Leid und Tod von Tieren erfordert (die trächtige Kuh und das Kalb, das noch nicht geboren, aber bereits geformt ist). Es wäre ein Widerspruch. Glücklicherweise gibt es aber auch zwei andere praktische Gründe, warum es ungeeignet ist:
■ Das Risiko einer Kontamination durch Viren, Bakterien und Pilzen ist viel höher;
■ Die Verfügbarkeit von fetalem Kälberserum könnte niemals den Bedarf einer Grossindustrie decken und die Kosten wären enorm. Die einzelnen Unternehmen, die künstlich hergestelltes Fleisch produzieren, kreieren gerade Substrate ohne tierische Erzeugnisse, die ihren spezifischen Bedürfnissen entsprechen.

2.3 Der Aufbau
Ein weiteres Problem, das gelöst werden muss, ist das Material, das für den“Aufbau”verwendet wird, d.h. die Struktur, auf der die Zellen wachsen, um ein dreidimensionales Produkt zu erhalten. Kollagen und Gelatine werden normalerweise verwendet, aber diese sind auch tierischen Ursprungs, so dass Unternehmen andere Materialien untersuchen, darunter Soja, Stärke und Pilzmycel.

Wie lange dauert es von der Zelle bis zum Burger?

Bei künstlich hergestelltem Fleisch ist die Produktionsdauer weitaus niedriger, als bei Fleisch, das aus Schlachthöfen stammt. Im Moment braucht es für einen künstlich hergestellten Hamburger 10 Wochen. Aber angesichts der Tatsache, dass das Wachstum exponentiell ist, könnte es 12 Wochen dauern, um hunderttausend Hamburger zu produzieren. Bei echtem Fleisch ist die Produktionsdauer viel länger. Es dauert 18 Monate, um ein Rind zu züchten, daraus ergeben sich 1500 Hamburger. Theoretisch können aus 1 Gramm entnommenes tierisches Gewebe 10 Tausend kg Rindfleisch hergestellt werden. In der Praxis werden die Zahlen wahrscheinlich niedriger sein, aber selbst wenn sie 1000 mal niedriger wären, wäre es extrem effizienter als die heutige Zucht und Schlachtung, und dabei berücksichtigen wir sogar nicht den ethischen Aspekt.

Werden die Umweltauswirkungen von synthetischem Fleisch geringer sein?

Ja, viel geringer. Einige Studien wurden durchgeführt, aber sie können in Bezug auf den Energieverbrauch nicht zuverlässig sein, da es noch keine Anlagen für die Massenproduktion
gibt. Somit ist es schwierigVerbrauchsprognosen durchzuführen, da die Technologie noch nicht existiert. Sicher ist, dass der Wasser- und Landverbrauch nur einen sehr kleinen Teil ausmachen
werden, imVergleich zu den Ressourcen, die derzeit für Futteranbau, für die Tiere und für deren Aufzucht verwendet werden. Auch die Treibhausgasemissionen werden geringer ausfallen.

Mit oder ohne Gentechnik?

Beides ist möglich. Zellen können gezüchtet werden ohne jegliche Manipulation, in Europa wird das wohl so sein, da der Grossteil der Bevölkerung Lebensmittel konsumieren möchte, die frei von Gentechnik sind. Oder es können auch genetische Manipulationen durchgeführt werden, um beispielsweise Fleisch mit weniger gesundheitsschädlichen Konsequenzen zu produzieren: Reduktion gesättigter Fettsäuren, Cholesterin usw.

Welche Auswirkungen wird das auf die öffentliche Gesundheit haben?

Was den Nährstoffgehalt betrifft, so wird es derselbe sein, denn Ziel der Forschung ist, ein identi-sches Produkt zu liefern, d.h. echtes Fleisch, das aus tierischen Zellen besteht, und keine pflanzliche Imitation. Folglich werden die gesundheitlichen Konsequenzen dieselben sein: zu viel Proteine, Fett, Cholesterin, Häm-Eisen, und deren negativen Gesunheitsauswirkungen, die bereits bekannt sind (erhöhtes Risiko für chronisch-de-generative Erkrankungen, derzeit die häufigste Todesursache).

Es wird daher keine akzeptable Option für diejenigen sein, die Fleisch aus gesundheitlichen Gründen
eliminieren wollen. Mit genetischer Manipulation kann das Nährwertprofil verbessert werden, aber nur wenige würden das akzeptieren.

Es gibt also zwei positive Aspekte für die Gesundheit, die sich auf diejenigen auswirken, die kein Fleisch essen:
■ die drastische Reduzierung des Gesamteinsatzes von Antibiotika, somit auch das Problem der Antibiotika-Resistenz;
■ das Ende der Zoonosen-Gefahr – Krankheiten, die von Nutztieren ausgehen, und dadurch Epidemien in den Zuchtbetrieben selbst, bei Wildtieren und beim Menschen verursachen.

Schlussfolgerung: Wird es den Tiere helfen?

Nach den aufgelisteten sechs Antworten können wir die Schlussfolgerung ziehen, dass die Vermarktung von künstlich hergestelltem Fleisch den Tieren sicherlich helfen wird, da dadurch weitaus weniger Tiere geschlachtet werden.

Es wird auch eine Hilfe für Wildtiere sein, da die Nutzung von Land und anderen natürlichen Ressourcen abnehmen wird. Natürlich werden es nicht alle akzeptieren, doch aus mehreren Umfragen geht hervor, dass zwischen 20% und 40% der westlichen Bevölkerung bereit sind, künstlich hergestelltes Fleisch zu kaufen und zu konsumieren. In Deutschland sind es sogar 58%.

Es wird Aufgabe der synthetischen Fleischindustrie sein, die unbeugsamen Fleischesser zu überzeugen, denn sie werden sich bemühen, ihre Produkte zu verkaufen.

Alle anderen zu überzeugen, ist unsere Aufgabe, und das mit Aufklärungsarbeit: Viele sind in der Lage, ihre Ernährung umzustellen, die auf rein pflanzlichen Lebensmitteln beruht. “In der Lage sein” bedeutet, dass sie fähig dazu sind eine gerechte Entscheidung zu treffen, die nichts mit Gleichgültigkeit zu tun hat. Um Veganer zu werden, reicht das aus, man braucht dazu keine Superkräfte. Die Entscheidung können wir sofort treffen, und nicht erst in 5-10 Jahren (oder wer weiss wie lange die Vermarktung von künstlich hergestelltem Fleisch noch dauern wird.

Quellen: http://www.agireora.org/ / https://www.atra.info/images/pdforizzonti/171_TED_web.pdf

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Das Lebensmittel- und Foodprinting-Unternehmen Good Meat baut die weltweit erste gross angelegte Anlage für Kunstfleisch. In über zehn 250.000 Liter fassenden “Bioreaktoren” sollen in Zukunft jährlich rund 13 Millionen Kilogramm kultiviertes Fleisch produziert werden.