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Die Erschaffung der Mensch-Affen-Chimäre

Am 15. April dieses Jahres berichtete die ANSA über die Erschaffung von Mensch-Affen-Embryonen, durch die Zusammenarbeit zwischen amerikanischen und chinesischen Forschungseinrichtungen. Dieses Experiment hat vor allem in ethischer Hinsicht viel Kritik hervorgerufen, aber diejenigen, die sich für dieses Thema seit Jahren interessieren, kam diese Nachricht überhaupt nicht überraschend.

Tatsächlich versuchen seit 50 Jahren verschiedene Forschungsgruppen, Chimäre herzustellen, d.h. lebende Formen, die aus der Fusion von genetischem Material verschiedener Rassen stammen. Der Ausdruck Chimäre, stammt aus der griechischen Mythologie. Die Chimäre war einmythologisches Monster, das den Körper einer Ziege hatte, und den Kopf eines Löwen. Die Geschichte der Labor-Chimären begann in den 70er Jahren, mit dem Versuch die Embryonen von Mäusen und Ratten zu vereinen, und wird 1997 fortgesetzt, als der humane Zellkern in die Eizelle eines Schimpansen transferiert wird; 1998 wurde humanes DNA in die Eizelleeiner Kuh verlegt; 2003 wurde durch die Kombination von Embryonen verschiedener Geschlechter das erste ermaphrodit-Embryo erzeugt, und in einem anderen Experiment eine Mensch-Kaninchen Chimäre. Die Geschichte der Labor-Chimären endete dann 2017, als in Grossbritannien die Produktion von Embryonen zugelassen wurde, nämlich durch die Übertragung menschlicher DNA in Kuh-Eizellen. In einer am 15. April veröffentlichten Forschungsarbeit mit dem Titel Chimeric Contribution of human extended pluripotent stem cells to monkey embryos ex vivo, in der Fachzeitschrift Cell, gingen die Forscher sogar noch weiter.

Die Forscher nahmen praktisch einige erwachsene menschliche Zellen und setzten diese wieder in ein Pluripotentialität-Stadium zurück, d.h. sie verwandelten sie zu Stammzellen die somit in der Lage waren, verschiedene Organe und Gewebe zu erzeugen. Darauffolgend wurden diese in Blastozysten von Affen eingefügt, d.h. in Embryonen während einer Entwicklungsphase von 5-6 Tagen. Insgesamt wurden 132 Embryonen manipuliert, mit dementsprechender Entwicklung: Bis zum 19. Tag hattennur drei überlebt, am 21. Tag waren alle tot.

Selbst in der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde grosse Kritik geübt, was natürlich starke Zweifel in Bezug auf verschiedene Aspekte des Experiments und dessen etwaige Weiterentwicklung aufkommen lässt. Henry Greely, Direktor des Center for Law and the Biosciences Stanford, hat 5 Fragen aufgeworfen, nämlich über das Wohlergehen von Tieren, die ihre Eizellen hergeben; die Herkunft der Stammzellen, die in Embryonen transferiert werden, die Besorgnis, die solche Experimente in der Öffentlichkeit hervorrufen; die Möglichkeit einer grossen Debatte, bevor solche Experimente stattfinden; und letztendlich die Möglichkeit, dass Embryonen, die in Reagenzgläsern gezüchtet werden, in lebende Tiere transferiert werden können.

Im Gegensatz dazu, fragt sich Julian Savudescu, Kodirektorin des Wellcome Centre for Ethics and Humanities an der Oxford-Universität: “Wer kann sicherstellen, dass die Hybriden, die produziert werden, wenn auch den Affen ähnlich, nicht in der Lage sind, so wie wir zu denken?”. Besonders wichtig und noch zu untersuchen sind die Beobachtungen des Genetikers Giuseppe Novellivon der Universität in Rom Tor Vergata. “Es gibt viele Fragen, die dieses Experiment aufwirft: nicht nur aus technischer und wissenschaftlicher Sicht: Sind wir und dabei wirklich sicher, dass dies ein Weg ist, der zur Bildung funktionierender Organe führt?

Sind wir sicher, dass wir Embryonen-Chimäre verwenden müssen – Organoide aus induzierten Stammzellen einer einzelnen Spezies?” Novelli fügt hinzu, dass “die Einführung menschlicher embryonaler Stammzellen in die Blastozyste eines Makaken durch die bestehenden Bioethik-Richtlinien absolut verboten ist: Embryonale chimäre Zellen sind sehr wahrscheinlich in der Lage, Embryo-Chimäre – und damit Föten – zu erzeugen, von denen wir überhaupt nichts wissen.”Giuseppe Novellis Überlegungen betreffen Themen, die bekannt sind, da sie sich mit Tierschutz und insbesondere Tierversuchen beschäftigen. Bei Embryonen von Menschenaffen ist nicht klar, warum genetisches Material verschiedener Arten gemischt werden sollte, wenn dieselbe Forschungsarbeit mit menschlichem Material durchgeführt werden kann. Sowie es bisher immer der Fall war, umOrganoide zu entwickeln, die für Transplantationen oder als experimentelle Modelle verwendet werden könnten. In ähnlicher Weise gibt es im Falle von Tierversuchen inzwischen viele Ersatzmethoden, die wissenschaftlich erwiesen sind. Die bestehenden Richtlinien jedoch verpflichten die Forscher nicht, diese zu verwenden, daher benutzen viele die veralteten Tiermodelle.

All dies widerspricht im Übrigen einem anderen Konzept, das im Gesetz verankert ist nämlich, dass Tiere nur dann verwendet werden sollten, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Der andere Aspekt, der Tierversuche und die Erzeugung von Mensch-Affen-Embryonen im Allgemeinen vereint, ist das fehlende oder gelegentlich fehlende Interesse an ethischen Aspekten. In der Geschichte der Forschung wurden oft Experimente durchgeführt, die dann in Frage gestellt wurden, aufgrund des ethischen Aspekts. Aber auch hier, wie im Fall von Tierversuchen, betrifft die ethische Bewertung ausschliesslich oder fast ausschliesslich die Rückwirkungen auf die Menschheit, es geht hier fast nie um das Wohlergehen der Tiere.

Die Geschichte der Forschung ist voller Experimente, die nur durchgeführt wurden, weil sie keiner zuvor durchgeführt hatte. Auch wenn die Forscher überhaupt nicht wussten, welche die konkreten Rückwirkungen auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse sein könnten. Letztendlich können wir sagen, dass Forscher im Bereich der genetischen Manipulation im letzten halben Jahrhundert immer und schrittweise die Messlatte angehoben haben, das führt in ein Terrain das unbekannt, und gefährlich werden könnte, das x-te Beispiel dafür ist die Erschaffung der Mensch-Affen Chimäre.

STEFANO CAGNO- KRANKENHAUSARZT / OSA – OLTRE LA SPERIMENTAZIONE ANIMALE (JENSEITS DER TIERVERSUCHE) www.oltrelasperimentazioneanimale.eu

Quelle: orizzonti Juni 2021, Nr. 167